1983: Einmal Lübeck - La Rochelle und zurück

Tagebuch einer Chorfahrt

geschrieben von Wum Ohlhoff

Seit 1978 besteht zwischen der Hansestadt Lübeck und der französischen Hafenstadt La Rochelle eine vertraglich besiegelte Städtefreundschaft. So ist in den vergangenen Jahren ein erfreulich reger gegenseitiger Austausch auf kulturellem wie auf sportlichem Sektor gewachsen. Der geplante Schiffsbesuch des Patenschiffes unserer Heimatstadt, der Fregatte „Lübeck“, wurde nun im Jubiläumsjahr der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages zum offiziellen Anlaß einer großangelegten Lübeck-Präsentation.

So wurden eine Ausstellung der Gemeinschaft Lübecker Maler und Bildhauer sowie eine Ausstellung von Schiffssiegeln aus Beständen des Archivs der Hansestadt Lübeck vorgesehen.

Ein wichtiger Beitrag zur Vertiefung der freundschaftlichen Kontakte zur Bevölkerung der Stadt La Rochelle fiel dem Passat Chor zu. Ein gemeinsames Konzert mit dem Chor „Recreation“ La Rochelle (bekannt von seinem letztjährigen Besuch mit Konzertauftritten in Lübeck), ein Konzert vor Senioren aus La Rochelle, ein Konzert vor Schülern einer Mittelschule sowie die musikalische Untermalung des Empfanges der Stadt La Rochelle für die offizielle Lübeck-Delegation.

Fast ein halbes Jahr dauerten die umfangreichen Vorarbeiten, um ein für alle Sänger interessantes und abwechs-lungsreiches Programm auf die Beine zu stellen. Heiko Fenn steuerte drei Arrangements von französischen Shantys „Je'm souviens“, “Le petit navire“ (bei uns unter dem Titel »War einst ein kleines Segelschiffchen« bekannt) und die Bearbeitung der Rochellaiser „National-Hymne“ „Les filles de La Rochelle“ (die Mädchen aus La Rochelle) bei.

In der Anfangsphase der Vorbereitung schienen die Gesamtkosten für die Durchführung des Unternehmens die Finanzkraft des Chores zu übersteigen, doch ein Reisekostenzuschuß der Hansestadt, ein gemeinsam von Sängern getragener Kostenbeitrag sowie eine kräftige Finanzspritze aus der Kasse des Passat Chores ermöglichten eine Reise, an die man sich sicher noch gerne und lange in Sängerkreisen zurück erinnern wird. Erstaunlich allein schon die stattliche Teilnehmerzahl von 38 aktiven Sängern; auch unsere beiden Senioren: Oskar von der Sonnenau (l.Flötist des Chores) und Bruno, unser Ehrenvorsitzender, waren mit von der Partie. Auch die musikalische Unterstützung des Chores durch unsere ausgezeichnete Combo war gewährleistet:

1.Akkordeon: Peter-H. Ceranik2.Akkordeon: Werner Fick1.Gitarre: Wolfgang Schütt2. Gitarre: Ralph BeckerCongas: Peter Radau

Alles unter der bewährten Leitung unseres Chormeisters Ernst-Günter Hinz (in Fachkreisen Werner Meier genannt).

Nach vielen Extraproben stand ein imposantes Programm mit 20 Titeln. Dank an Mme. Lortsch aus La Rochelle, einer gebürtigen Schlesierin, die vor Ort so manche scheinbar unüberwindbare Probleme lösen konnte. Nach derlei umfangreichen Vorbereitungen stand dann der Durchführung der weiten Fahrt nichts mehr im Wege.

Sonntag, 12. Juni 1983


6.30 Uhr: Verspätete Abfahrt in Travemünde durch Probleme an der Druckluftanlage des LVG-Busses. Als gutes Omen für die Fahrt wurde bewertet, daß mit dem Fahrer, Herrn Stahl, ein bereits dem Chor bestens bekannter und gereister " Fahrensmann“ zur Seite stand. Der Bus, ein tolles 4-Sterne-Gefährt mit allen Schikanen wie WC, Küche mit Kühlschrank (wichtig für die Getränkeversorgung), Kaffeemaschine, Schlafsesseln und Klimaanlage.

7.00 Uhr: Zustieg der Lübecker Chormitglieder am ZOB. Große Verabschiedung durch die Frauen und nähere Verwandte oder Bekannte der Sänger mit der Bitte, auf sich aufzupassen (besonders war wohl Paris gemeint) und heil wieder nach Hause zurückzukehren. Geruhsame Fahrt über Köln (hier Zustieg von Norbert) und über Liege nach Brüssel.

16.00 Uhr: Ankunft in Brüssel. 500 Meter vor dem Hotel gibt die Druckluftanlage des Busses erneut ihren Geist auf. Aber einen routinierten Sänger kann so etwas nicht erschüttern und unter den anfeuernden Rufen unseres Busfahrers schoben wir den schweren Bus vor das Hotel. Tolle Unterbringungen (wie es sich gehört) im Hotel Bed-ford mit Klimaanlage, Radio, Fernsehen und Telefon, ein tolles Badezimmer mit Bidet, über dessen Funktion einige Chormitglieder erst einmal aufgeklärt werden mußten, da sie es als ....... ansahen.

19.00 Uhr: Gemeinsames Abendessen, anschließend Abend frei zum Kennenlernen der wunderschönen Brüsseler Altstadt mit historischem Markt und dem Wahrzeichen der Stadt Brüssel, dem Männeken Pis, das verschämt seinen Standort in einer Seitengasse des Marktes gefunden hat. Gelegenheit zum Besuch der vielen urigen Altstadtkneipen. Zapfenstreich ist aufgehoben.




Montag, 13.6.1983


8.00 Uhr: Gemeinsames Frühstück im Hotel und Abfahrt nach Paris. Der Bus war inzwischen wieder in Ordnung gebracht, der Kundendienst der Firma Daimler-Benz in Brüssel hatte ganze Arbeit geleistet, eine defekte Schelle war als Ursache mit großer Wirkung entdeckt worden. Das Mittagessen wurde unterwegs an einer der supermodernen französischen Autobahn-Raststätten eingenommen. Für die Versorgung der durstigen Sängerkehlen mit eisgekühlten Getränken sorgte wie immer in bester Manier unser Getränkewart Peter Stürholdt (wie auch auf der ganzen Fahrt, woher er immer neuen Nachschub zauberte, blieb uns ein Rätsel).

Gegen 15.00 Uhr dann Erreichen der Peripherie von Paris (12,5 Millionen Einwohner mit Vororten, davon allein 2,5 Millionen in der Innenstadt). Erste Konfrontation mit dem chaotischen Verkehr in Paris. Aber unser 1. Steuermann, Herr Stahl, blieb ganz cool, erläuterte mit zwingend knappen Kommentaren die Situation nach alter Paris-Hasen-Manier. Immer frisch zu im Rahmen des Erlaubten, nur dem „Konkurrenten“ im Verkehr keine Blöße zeigen. Ängstlich scheinende Einquartierung im Herzen von Paris im Hotel BREBANT auf dem Boulevard de Poissionere, nahe der "Opera“.

Erstes Kennenlernen von Paris mit Spaziergang zum supermodernen Forum Las Helles, einem Einkaufszentrum, wo früher die alten Markthallen standen, und weiter zum Kunstzentrum „Centre George Pompidou“, einem monströsen Gebäudekomplex mit futuristischem Aussehen (riesige Lüftungshuzen auf dem Dach, schreiende Farben, alles eingerüstet, wie bei einem baufälligen Haus). Vor diesem Koloß, in einer Art Freiluftarena, eine Unzahl von Straßenmusikanten, Feuerschluckern, Pantomimen und Freizeitkünstlern, die dem staunenden, zahlreichen Publikum eine rasante, improvisierte Show darboten.

Mit den Rolltreppen in Plastikröhren ging es dann aufwärts an der Außenseite des Kunstpalastes entlang (innen eine riesige Bibliothek, eine großartige Gemälde- und Plastiken-sammlung sowie unzählige Veranstaltungs- und Konzertsäle) zur Dachterrasse mit Café und herrlichem Blick über Paris. Nach dem Abendessen dann nicht bereuter Pflichtspaziergang zum Montmartre (die Fußkranken und Älteren machten sich hierzu mit der Metro auf die Socken). Oskar, unser Ältermann, wurde auf Chorkosten auf dem Place du Tertre auf dem Montmartre für unser Chorarchiv erstaunlich ähnlich porträtiert. Stimmungsvolles Beisammensein auf dem Platz, dem durch die Oper „La Boheme“ ein bleibendes Denkmal gesetzt wurde. Kühles, aber dünnes französisches Bier unter schattigen Linden, erste Schoppen mit französischem Vin Rouge werden probiert. Der eine oder andere versucht es mit einem Aperitif. Ein Abend zum Verlieben bei diesen hochsommerlichen Temperaturen.

Einige noch länger als das Gros der Sänger Bleibende nutzen die Gelegenheit, zwei Sintis (Zigeuner) bei ihrem an Django Reinhardt erinnernden Gitarrenspiel im Café Momus bis zum anbrechenden Morgen zu lauschen. Andere Spätheimkehrer werden vom Rest der Truppe beim Nachhausekommen mit lautem Hallo in der neben dem Hotel liegenden Straßenkneipe beim Bier begrüßt. Auch hier vollbesetztes Lokal zu einer Zeit, wo bei uns die Wirte schon längst den Laden geschlossen haben.

Auf dem Heimweg vom Montmartre sollen dann die ersten Begegnungen mit den leichten Mädchen von Paris stattgefunden haben (wie uns aus vertraulicher Quelle gemeldet wurde). Place Pigalle, die weltberühmte Mausefalle, langbeinige, hell- und dunkel-farbige Wesen, manchmal unter dem Pelzmantel oben und unten ohne (kein Wunder, bei den Temperaturen). Viens, viens! Einheitspreis: 150 Franc!



Dienstag, 14.6.1983


8.30 Uhr: Erstes gemeinsames französisches Frühstück (sehr spartanisch mit aufgeblasenem Weißbrot, 10 Gramm Butter und dünnem Kaffee). Erste Unmutsäußerungen bei verwöhnten Chormitgliedern, aber c'est la via francaise.

9.30 Uhr: Abfahrt zur großen Stadtrundfahrt mit erfrischend unorthodoxer Reiseleiterin. Fahrer Stahl kann wieder seinen tollen französisch angepaßten Fahrstil unter Beweis stellen. Die Rundfahrt ist „kurz“, aber oho. Paris in vier Stunden. Links sehen Sie, rechts sehen Sie. Wir bekommen in diesem Kurzkurs alle wichtigen Bau-werke und Informationen kompakt geliefert: Champs Elysees, Arc de Triumphe, Place de la Concorde, Tour Eiffel, L'Opera, Dom des Invalides mit dem Grab Napoleons, Notre Dame mit kurzem Rundgang durch das Reich Quasimodos. Paris, eine Weltstadt, aber trotzdem mit einem besonderen Flair.

Nachmittags Gelegenheit, Paris auf eigene Faust zu entdecken: Konzertbesuch in Notre Dame, Einkaufsbummel durch die Kaufhäuser La Fayette und La Samaritaine, letzteres mit herrlichem Dachcafe und Terrasse mit Blick über die Dächer von Paris. Auffahrt zum Tour Montparnasse (Hochhaus mit 300 Meter Höhe, zweithöchstes Bauwerk in Paris nach dem Eiffelturm). Herrlicher Panoramablick über Paris bis hinaus zum Flugplatz Charles de Gaulle.

Rückmarsch durch die Rue Saint Denis mit ihren „Asphaltschwalben“, den Damen vom waagerechten Gewerbe. Aber leider gab es am Nachmittag noch nicht so viel zu sehen wie am Abend, denn die Frühschicht (sprich Alters-riege) hatte Dienst.

Abends dann Besuch des Quartier Latin mit seinen Künstlerkneipen, Gassen voll mit griechischen Spezialitäten-lokalen, Straßentheater, Feuerschluckern und mittendrin die Kirche St. Germain des Pres mit Händels "Messias« zu mitternächtlicher Stunde und freiem Eintritt. Eine ungewöhnliche, aber faszinierende Stadt. Voller überwältigender Eindrücke Rückfahrt mit der Metro ins Hotel.



Mittwoch, 15.6.1983


9.00 Uhr: Abfahrt Richtung La Rochelle nach gemeinsamen Frühstück im Hotel. Fahrt über Orleans, Tours und Poitiers. Gegen 16.00 Uhr Ankunft in La Rochelle. Erste herrliche Eindrücke einer alten Hafenstadt bei der Fahrt zum Jugendzentrum „Les Minimes“, mitten im großen Segelzentrum mit 3000 Liegeplätzen - Europas größter Jachthafen. Begrüßung in der Herberge durch Mme. Lortsch, unserer großen La Rocheller Stütze, sowie durch die bereits angereisten Lübecker Künstler. Zimmerverteilung.

Gemurre bei einigen verwöhnten Sängern, als sie ihre Alabasterkörper in Vierbettzimmern unterbringen müssen und nur ein gemeinsamer großer Waschraum zur Verfügung steht. Ist aber schnell vergessen nach ersten gemeinsamen Späßen. Erinnerungen an die Jugendzeit werden wach, Gefühl wie im Landschulheim.

Nach einem wirklich etwas bescheidenen Abendbrot erster Besuch der pittoresken Innenstadt La Rochelles. Fußgängerzone mit Arkaden, winkelige Gässchen mit Fachwerkhäusern, Straßencafes und Restaurants, lauwarmer Abend am Hafen mit seinen herrlich angestrahlten alten Türmen und Mauern.

Um 22.30 Uhr letzte Möglichkeit zur Heimfahrt mit dem Bus zur Jugendherberge, die aber nicht von allen genutzt wird. Da die Herberge um 24.00 Uhr schließt und nur ein Schlüssel für den Haupteingang zur Verfügung steht, gibt es für einige Spätheimkehrer Schwierigkeiten, die aber mittels einer im Jachthafen gefundenen Alu-Leiter via Balkon in den ersten Stock gelöst werden können.



Donnerstag, 16. 6.1983


8.30 Uhr: Gemeinsames Frühstück. Großer Unmut bei den "Verwöhnten“ über das kärgliche Frühstück und über die henkellosen Kaffeetassen, den „bols“, aber so ist es nun mal in Frankreich. Um 12.00 Uhr umjubelter Auftritt vor über 300 Schülern in einer Art Mittelschule, an welcher der La Rocheller Bürgermeister Compagnon Schulleiter ist.

Mit großem Interesse und Beifall wird der vom Chor mitgebrachte Lübeck-Film „Gesicht einer Stadt“ vorgeführt. Anschließend hervorragendes mehrgängiges Mittagessen auf Einladung der Schulleitung in der hochmodernen Kantine der Schule, das auch die Feinschmecker unter uns für die vorherigen dürftigen Mahlzeiten entschädigt.

Nachmittags Stadtführung und Rundfahrt durch La Rochelle mit dem Sohn von Mme Lortsch, der hervorragend deutsch spricht und uns für die nächsten Tage als Dolmetscher begleiten wird (ein „Monstrum“ von einem Mann, 2,03 Meter Größe und 260 Pfund Lebendgewicht, dazu eine etwas unorthodoxe Frisur mit Pferdeschwanz, von einem jeden Tag in der Farbe wechselnden Schuhschnürsenkel zusammengehalten). Ein furchtbar liebenswerter Kerl, der maßgeblich zum Erfolg des Aufenthaltes in La Rochelle beitrug.

Nach der Rundfahrt dann erste Akustik- und Stellprobe im Salle de l'Oratoire, einer zum Konzertsaal umfunktionierten romantischen Kirche mit einer tollen Akustik und rund 400 Sitzplätzen.

Nach einer vielversprechenden Probe ein First-Class-Abendessen auf Einladung der Stadt La Rochelle in einer modern eingerichteten Altentagesstätte. Es wurde ein exquisites sechsgängiges Menü mit Wein und allen Finessen gereicht. Für die Zubereitung der Speisen hatte man seitens der Stadt extra eine Küchenbrigade von vier Küchenfachleuten engagiert.

Abends um 21.00 Uhr dann zusammen mit dem Chor "Recreation“ ein ca. zweistündiges Konzert vor vollem Haus. Der Beitrag unserer französischen Freunde und unser Konzert wurden mit enthusiastischem Beifall belohnt, vor allem unsere drei französischen Shantys wurden vom Publikum begeistert aufgenommen. Durch die französische Conference unseres Wum und durch die sich dem Publikum mitteilende Begeisterung des Chores wurde das Konzert unter der bewährten Leitung von E. G. Hinz zu einem großen Erfolg, der in dem gemeinsam mit dem französischen Chor gesungenen »Rolling home« seinen krönenden Abschluß fand. Zum Schluß des Konzertes bekamen die Zuhörer von Mitgliedern des Passat Chores ein Marzipanherz (gestiftet von der Firma Niederegger) und eine Lübeck-Broschüre auf französisch überreicht.

Ein anschließender Stehempfang des französischen Chores vereinigte alle Akteure zu einer großen Gemeinschaft und manches bekannte Lied erklang noch einmal.



Freitag, 17. Juni 1983


Nach dem Frühstück Ausflug per Bus zum Städtchen Cognac mit Besuch der in der ganzen Welt renommierten Cognac-Destillerie „Martell“. Rundgang durch die weitläufigen Fabrikanlagen mit ihren Tausenden von Limousin-Eiche-Fässern, gefüllt mit allerbestem Cognac. Der sachkundige deutsche Kommentar wurde von einem unvergleichlich schönen Cognac-Aroma begleitet, welcher durch Verdunstung des in den Fässern lagernden Cognacs entsteht. Zum Abschluß dieser hochprozentigen Führung gab es eine Probe der Nobelmarke Martell zum Verkosten, "Medaille d'or“.

Auf der Rückreise führte uns die Fahrt in die Pineau-Destille von Mme. Roturier Macqueville. Hier führte uns die Patronin selbst durch ihre Kellerei und erläuterte die Herstellung dieser für die Gegend um Cognac berühmten Spezialität, einer aus Weintrauben auf Cognacbasis geschaffenen Köstlichkeit, die man als Aperitif roter oder weißer Facon gekühlt genieße soll. Daß eine Kostprobe gereicht wurde versteht sich und daß manche Flasche als Souvenir gekauft wurde, spricht von der Güte dieses herrlichen Tropfens.

Da unser Gastgeber, die Stadt La Rochelle, noch einen Auftritt für diesen Nachmittag im Saal d l'Oratoire vor Senioren aus La Rocheller Altenheimen eingeplant hatte, mußten wir uns leider mit der Heimfahrt beeilen und konnten so die altrömische Gründung, die Stadt Saintes, mit ihren römischen Triumphbögen und einem großen Amphitheater nur kurz auf der Durchfahrt bewundern.

Das Mittagessen erfolgte an Bord unseres LVG-Busses, zubereitet von unseren Bordköchen Hans Peter und Ernst-Günter. Die Zutaten wie verschiedene Pates, Käse, Butter, Weißbrot etc. hatten wir uns unterwegs in einem kleinen Dorfladen erstanden. Die Inhaberin war hocherfreut, als ihr Geschäft durch unseren Großeinkauf einen unverhofften Aufschwung bekam. Pünktlich wie die Maurer waren wir kurz vor 15.00 Uhr zum vereinbarten Konzert zur Stelle und erfreuten die La Rochelle Senioren mit unserem Programm (Troisieme age - ältere Herrschaften ab 60 Jahren). Auch hier wieder ein voller Erfolg mit unserem herzerfrischenden Programm, und da Oskar wie immer bei solchen Gelegenheiten 85. Geburtstag hatte, wurde der Auftritt besonders lebhaft be-klatscht.

Anschließend wurde bis 20.30 Uhr für alle Fahrtteilnehmer Freizeit angeordnet, um Einkäufe und Stadtbesichtigung auf eigene Faust unternehmen zu können.

Viele Sänger sah man dann in den Hafenrestaurants im Freien am Hafenbecken sitzen und an den hübsch gedeckten Tischen »Fruits de Mer« probieren, „Früchte des Meeres“ eine Spezialität jeder Hafenstadt in Frankreich: Langostinos, Bigorneaux (kleine Schnecken, deren Fleisch man mit Stecknadel aus der Schale holt), Austern, und auch die La Rocheller Spezialität, die »mouclade«, Miesmuscheln in pikanter Sahnesoße sowie die »cotriade«, eine pikant abgeschmeckte und passierte Fischsuppe ließen sich die Travemünder Sänger munden. Dazu gab es dann einen frischen trockenen Muskadet aus den Anbaugebieten um Nantes.

Dies alles aber nur als „Vorspeise“ , denn um 21.00 Uhr baten die Stadtväter von La Rochelle noch einmal zu Tisch: ein Menü mit hors d'oeuvre, Fischgang, Fleischgang, Dessert, Cognac oder Likör, danach Mokka; ein Leben „wie Gott in Frankreich“. Ein kleines Chorkonzert sowie die Übergabe von Marzipanherzen an die hervorragende Küchenbrigade waren das Dankeschön.

Nach einem Spaziergang durch das nächtliche La Rochelle konnten die Nachzügler noch nach dem Zapfenstreich ins Quartier gelangen, da Peter Stürholdt und Otto Beckmann sich dankenswerterweise als Türposten zu solch nächtlicher Stunde mit dem einzigen Schlüssel zur Verfügung gestellt hatten.



Samstag, 18.6.1983

Nach dem Frühstück um 10.00 Uhr Begrüßung der in den äußeren Hafen von La Rochelle eingelaufenen Fre-gatte „Lübeck“ zusammen mit der Stadtkapelle von La Rochelle, einer batterie-fanfare (einem Fanfarenzug). Hinter uns die imposante Kulisse der berühmten U-Boot-Bunker (bekannt durch den Buchheim-Film „Das Boot“ ) von 300 mal 300 Meter im Geviert mit 6 Meter dicken Betonwänden. Anschließend Führung über und durch die Fregatte „Lübeck“.

Um 11.30 Uhr dann Teilnahme am Empfang der Stadt La Rochelle im Audienzsaal des Rathauses zusammen mit den weltlichen, geistlichen und militärischen Würdenträgern der Stadt.

Eingeladen hatte zu diesem Empfang der französische Minister und der La Rocheller Oberbürgermeister Michel Crepeaux.

Von deutscher Seite waren der Militärattaché aus Paris, der deutsche Generalkonsul aus Bordeaux, der Lübecker Stadtpräsident Sophus Pohl-Laukamp, der Schiffskommandant der „Lübeck“ mit einer Abordnung seines Schiffes, der "Passat Chor“ sowie eine Abordnung der Lübecker Maler und Bildhauer der Einladung gefolgt.

Nach der Begrüßung durch M. Crepeaux ergriff der Lübecker Stadtpräsident das Wort und bedankte sich in fließendem Französisch für die der Delegation der Hansestadt Lübeck entgegengebrachten Sympathie. Der Passat Chor bedankte sich auf seine Weise mit den drei französischen Chansons für die zuvorkommende Gastfreundschaft und ernannte den Oberbürgermeister, sowie den Lübecker Stadtpräsidenten mit Urkunde und Pudelmütze zum Oberklabautermann.

Der deutsche Generalkonsul aus Bordeaux kam nach dem kurzen Konzert zu Ernst-Günter und bedankte sich mit folgenden Worten: "So wie Sie und Ihr Chor hier Deutschland vorgestellt haben, würde ich mir es bei all unseren offiziellen Besuchen wünschen. Sie haben viel zur deutsch-französischen Verständigung beigetragen“. So ein Lob aus hohem Mund >putzt natürlich ganz ungemein<, um mit Thomas Mann zu sprechen.

Versehen mit Lunch-Paketen von der Fregatte "Lübeck“ machten wir uns dann mit dem Bus auf die weite Heim-fahrt. Nach Zwischenübernachtung in Maubeuge, einem kleinen Ort an der französisch-belgischen Grenze kamen wir ermüdet, aber voll mit Erlebnissen und Erinnerungen an eine herrliche Woche zu Hause in Lübeck und Trave-münde an, sehnsüchtig von Ehefrauen, Verlobten, Kindern und Lebensgefährten erwartet.

Fazit der Fahrt: Eine gelungene Reise, die ihren Teil zur deutsch-französischen Freundschaft und zur Städtefreundschaft Lübeck - La Rochelle beigetragen hat. Unsere Chorgemeinschaft wurde durch diese Fahrt weiter gefestigt und die Leistungsfähigkeit des Chores erneut unter Beweis gestellt.



Auf ein Neues, vielleicht 1984 in Venedig!